Wird die EU mehr zahlen?: Wird die EU mehr zahlen? Der Preis des Ukraine-Krieges: Sponsoren gesucht

Schon Otto von Bismarck soll im Preußischen Abgeordnetenhaus zugegeben haben: „Kommt es zum Äußersten, so ist mir das Hemd näher als der Rock.“ 160 Jahre später gilt das immer noch: Je ferner die Ukraine, desto geringer fällt die nationale Unterstützung aus. So gibt Estland 3,55 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) für die Unterstützung des von Rußland angegriffenen Landes aus. Dänemark stellt 2,41 und Norwegen 1,72 Prozent zur Verfügung – Spanien hingegen nur 0,07 und Portugal 0,03 Prozent. Bei den größeren EU-Staaten Italien und Frankreich (je 0,07 Prozent) dämpft die Haushaltslage das nationale Engagement: So betrug Italiens Neuverschuldung 2023 7,2 Prozent des BIP, die Frankreichs 5,5 Prozent.

Sollte Donald Trump erneut ins Weiße Haus einziehen, dürften die US-Hilfen (bislang 0,319 Prozent des BIP/umgerechnet 67,7 Milliarden Euro) wohl versiegen. Deutschland (0,57 Prozent/22,1 Milliarden) als zweitwichtigster Unterstützer kann das nicht ersetzen. Was liegt da näher, als auf gemeinschaftliche oder externe Finanzierungen zu blicken? Das beschlagnahmte russische Oligarchenvermögen und das festgesetzte Vermögen der Russischen Notenbank (207 Milliarden Dollar) scheiden aber eher aus. Völkerrechtliche Bedenken wie auch die Beschädigung des hiesigen Investitionsstandortes und des Euro als Reservewährung sprechen dagegen. Allenfalls steuerliche Abschöpfungen der Notenbank-Zinserträge von drei bis fünf Milliarden Euro jährlich scheinen denkbar.

Ein Verteidigungsfonds ist schon Teil des EU-Haushalts

Auch der EU-Haushalt hält rechtliche Hürden vor. Nach bisheriger Auffassung darf die EU die Waffenentwicklung aus ihrem Haushalt finanzieren, nicht aber „operative Ausgaben“ wie deren Beschaffung (Art. 41 EU-Vertrag). Nach neuerer Auslegung des Juristischen Dienstes des EU-Rates sind zwar Gelder für Militäreinsätze verboten, nicht aber für Waffenkäufe, soweit sie nicht im direkten Zusammenhang mit Militäroperationen stehen. Sowohl Waffenlieferungen an die Ukraine wie auch die Aufrüstung der Mitgliedstaaten würden erleichtert. Hinzu käme ein Machtgewinn für die Kommission. Als weitere Schranke schließt der EU-Haushalt eine Schuldenfinanzierung grundsätzlich aus (Art. 310 AEU-Vertrag). Von daher sind innovative Finanzierungsquellen gesucht.

Der mit acht Milliarden Euro ausgestattete Verteidigungsfonds (EDF) ist Teil des EU-Haushalts. Seine Mittel finanzieren kooperative Forschung, etwa das deutsch-französische Panzerprojekt (Leopard 3/MGCS). Ein mit 50 Milliarden Euro ausgestattetes Hilfsprogramm für die Ukraine wurde im Rahmen der Aufstockung des EU-Finanzrahmens 2021 bis 2027 im Februar neu errichtet. Davon sind 33 Milliarden Euro als zinsgünstige Kredite von der Ukraine zu tragen. 38 Milliarden Euro sollen als direkte Budgethilfe fließen, sieben Milliarden Euro für Investitionen und fünf Milliarden Euro für Reformen in der öffentlichen Verwaltung.

Ukraine-Rückerstattung häufiger abgerufen als Corona-Fonds

Die Europäische Friedensfazilität (EPF), ausgestattet mit 17 Milliarden Euro, finanziert außerhalb des EU-Etats Maßnahmen im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Die Finanzierung erfolgt gemäß der Wirtschaftskraft – Deutschland zahlt etwa 24 Prozent. Bislang sind offiziell 11,1 Milliarden Euro zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte geflossen. Dabei können die EU-Mitgliedstaaten Anträge zur Teilerstattung für die an die Ukraine geleisteten Militärgüter einreichen. Ende 2022 betrug die Erstattungsquote knapp 50 Prozent. Erst seit kurzem nimmt auch Deutschland die Möglichkeit der Rückerstattung in Anspruch.

Sodann stehen nicht abgerufene EU-Haushaltsmittel in den Förderfonds für Strukturhilfen der Regionen ungenutzt zur Verfügung, die man umdeklarieren könnte. Allein aus der Haushaltsperiode 2014 bis 2020 sind noch 42 Milliarden Euro vorhanden. Auch aus dem laufenden EU-Haushalt 2021 bis 2027 sind erst 2,9 Prozent an die Staaten abgeflossen, so daß noch 372 Milliarden Euro offen sind. Eine Umwidmung ist jedoch schwierig, da sie in konkreter Höhe einzelnen Ländern zustehen. So haben die Mitgliedstaaten bereits einen Vorschlag der EU-Kommission zur Rückzahlung der 386 Milliarden Euro EU-Corona-Kredite abgelehnt und bestehen auf eine Übertragung der Gelder in die nächsten Haushaltsperioden.

Auch vom 809 Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbaufonds (NGEU), dessen Mittel bis 2026 ausgezahlt werden müssen, sind erst 28 Prozent geflossen. Verschwendungen liegen nahe, denn zahlreiche EU-Länder können nicht genügend dazu passende Projekte ausweisen, um die NGEU-Gelder zeitnah sinnvoll zu nutzen. Dies gilt speziell für die beiden Hauptnutznießer Italien und Spanien. Doch da die NGEU-Gelder bereits nationalen Projekten in den „Aufbauplänen“ zugewiesen sind, ist auch hier eine Umwidmung unwahrscheinlich.

Darf die EU-Investitionsbank Rüstungsausgaben finanzieren?

Aktuell liegt der Vorschlag eines erweiterten schuldenfinanzierten EU-Verteidigungsfonds (100 Milliarden Euro) auf dem Tisch (EDF+). Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem NGEU-Beschluß (2 BvR 798/21) den Ausnahmecharakter eines EU-Schuldenfonds hervorgehoben, weshalb auch die Bundesregierung eher ablehnend ist. Alternativ könnte die EU ähnlich der 100 Milliarden Euro EU-Kurzarbeiternothilfe einen EU-Verteidigungskrisenfonds auf Art. 122 Abs. 1 AEUV stützen, der im Fall „gravierender Schwierigkeiten in der Versorgung mit bestimmten Waren“ (Militärgüter) möglich wäre.

Konfliktfreier will eine Mehrheit von 14 EU-Staaten, darunter Deutschland, Frankreich, Italien, Polen und die Niederlande, der EU-Investitionsbank (EIB) zukünftig die Finanzierung von Rüstungsausgaben erlauben. Bislang darf die EIB Projekte finanzieren, die zivilen und militärischen Zwecken zugleich dienen (Dual Use), etwa Drohnen oder Satelliten. Eine offizielle Änderung des EIB-Mandats würde eine einstimmige Vertragsänderung aller 27 EU-Staaten notwendig machen.

Deshalb dürfte man sich mit einem mehrheitlich unterstützten Grundsatzbeschluß begnügen, der diese Vorhaben „von gemeinsamem Interesse für mehrere Mitgliedstaaten, die wegen ihres Umfangs oder ihrer Art mit den in den einzelnen Mitgliedstaaten vorhandenen Mitteln nicht vollständig finanziert werden können“, zulassen würde. Allerdings darf die EIB dabei nicht ihr bisheriges Toprating verlieren, was im Umkehrschluß eine Kapitalerhöhung mit Haushaltsbelastungen der Mitgliedstaaten bedeuten könnte. Alles hat seine Kosten – auch die Verteidigung.

JF 17/24

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