Start der Partysaison auf Mallorca: Start der Partysaison auf Mallorca Ballermann: Sehnsuchtsort und Riesengeschäft

Wenn der Bierkönig vom 17. bis 21. April und der Megapark vom 25. bis 28. April zu ihren großen Eröffnungsfeierlichkeiten begrüßen, startet in El Arenal auf Mallorca die alljährliche Partysaison, die im Juli und August ihren Höhepunkt erlebt. Zehntausende Urlauber, zumeist aus Deutschland, strömen dann in die beiden riesigen Eventlokale, die mit jedem Oktoberfestzelt mithalten können, und in die kleineren Diskotheken, Bars, Restaurants und Biergärten. Für die einen Fremdscham auslösende Proleten unter Palmen, für die anderen Sehnsuchtsort mit einer festen Markierung im Kalender.

Am Ballermann, wie die Feierhochburg im Touri-Volksmund oft einfach nur noch heißt und seit 20 Jahren im Duden steht, scheiden sich die Geister. Dabei gibt es diesen ominösen, sagenumwobenen Ort so konkret gar nicht. Der etwa sechs Kilometer lange Sandstrand nennt sich Playa de Palma und hat von den Ausläufern der namensgebenden Inselhauptstadt Palma über ein sehenswertes Aquarium bis zur Marina mehr zu bieten als Trinkgelage und Teutonengrill.

Auch der berüchtigte, längst umgebaute und ruhiger gewordene Ballermann 6 heißt eigentlich Balneario (passend: „Heilbad“), ist mehr oder weniger ein simples Strandbistro und hat 14 durchnumerierte Geschwisterbuden von B01 bis B15 die gesamte Promenade entlang. Und hier regieren nicht nur Deutsche: die ersten drei Balnearios sind fest in holländischer Hand, die Letzten beherbergen ein buntes Publikum aus mitunter schicken Hotels.

Reise- und Musikbranche geprägt

Wie also konnte ausgerechnet die relativ kleine Mitte der langgezogenen sichelartigen Bucht, etwa vom B04 bis zum B08 mit einigen Seiten- und Querstraßen, zum Inbegriff von Eimersaufen, Dauerflirten, siebzehntem Bundesland und Exzeß werden – der Popkultur sowie Tourismus-, Veranstaltungs- und Musikbranche nachhaltig geprägt hat? Denn bei allem teilweise arroganten Naserümpfen: die Strahlkraft des Phänomens Ballermann ist nicht zu verachten.

Der Unterhaltungswissenschaftler Sacha Szabo hat sogar ein Buch darüber geschrieben. Youtuber erreichen mit schlüpfrigen Straßenumfragen Hunderttausende. RTL+ zeigt mit „Der König von Palma“ eine Dramaserie über die nicht nur konfliktfreien Anfänge der deutschen Sause. Und Amazon Prime Video nimmt in „Last Exit Schinkenstraße“ das momentane Riesengeschäft damit aufs Korn.

Ballermann ist eine geschützte Marke

Die geschützte Marke Ballermann feiert, nachdem André Engelhardt als junger Student auf die Idee kam, sie einzutragen, dieses Jahr 30. Geburtstag. Jede Ballermann-Party, -CD oder -Spirituose, ob in Deutschland oder in Spanien, ob Kirmes oder Industriegebietshalle, muß eine Lizenzierung beantragen und bezahlen. Längst hat sich neben Volksmusik und Schlager der noch feuchtfröhlichere und provokantere Partyschlager etabliert, dessen Begründer und Topstars wie Mickie Krause, Peter Wackel oder Ikke Hüftgold am Ballermann ihren Durchbruch hatten, stetig zwischen Insel und Festland pendeln und ihre Spuren auch im Karneval, auf der Wiesn und beim Après-Ski hinterlassen haben.

Mittlerweile erreichen Mitgrölstücke von der „größeren Insel“  hohe Chartplazierungen und der vermeintlich sexistische Skandalsong „Layla“ wurde 2022 nicht nur Sommerhit, sondern auch zum Politikum. Bei der Debatte über ein Abspielverbot auf Volksfesten präsentierten sich ausgerechnet diejenigen, die gern pikiert auf Tennissocken in Badelatschen blicken, als die wahren Spießer. Den Malle-Urlauber interessiert das ideologisch aufgeladene Gefasel daheim meist herzlich wenig. Ballermann ist auch ausgelassene, bewußt über die Stränge schlagende Auszeit vom enger werdenden, linksgrün-kleinkarierten Lebenskorridor in der Bundesrepublik.

„Schinkenstraße“ und „Bierstraße“

Angefangen hat alles, als mit der Öffnung Spaniens und Mallorcas für den Tourismus mehrere Karnevals- und Kegelklubs aus dem Rheinland die nah am Flughafen gelegene Bucht für sich entdeckten. Schnell stellten sich die Wirte auf die trinkfreudigen Gäste aus dem Norden ein. S’Arenal, wie es mallorquinisch heißt, war damals geprägt von kleinen Läden und Imbißständen wie dem immer noch existierenden Casa de Jamon. Daher auch der bekannte Begriff „Schinkenstraße“ für die Partymeile, in welcher ebenso der Bierkönig liegt; direkt auf Höhe des Balneario 6.

Der Mallorquiner und Gastronom Antonio Ferrer war 1979 – also vor 45 Jahren – der erste Kneipier, der frisch gezapftes deutsches Faßbier an der Playa anbot. Als es daraufhin eines Sommertags so voll wurde, daß sich die deutschen Touristen in seiner „König Pilsener Stube“ stauten, kam die Anweisung an die Kellner, das kühle Bier auch draußen im Sonnenschein zu servieren: Der saloppe Spitzname „Bierstraße“ war geboren, wenige hundert Meter weiter von der „Schinkenstraße“.

Manfred Meisel verändert das Spiel

Ende der Achtziger kam dann der Frankfurter Äppelwoi-Wirt Manfred Meisel auf die Insel, der Legende nach mit einem Koffer mit einer halben Million D-Mark. Den übernommenen und vor 35 Jahren renovierten Bierkönig machte er mit damals revolutionären wie umstrittenen Ansätzen wie lauter Freiluftmusik über das gesamte Areal, Stehtischen, auf denen getanzt wurde, und langem Ausschank bis in die Morgenstunden zu einer von den einheimischen Discobetreibern neidisch beäugten Instanz, die das, was man heute unter Ballermann versteht, mit erfunden hat.

Prägten davor eher ältere Vereinsmeier-Semester die Insel und das Tresensportmilieu, kamen nun auch vermehrt jüngere Generationen auf Abifahrt oder Fußballmannschaftsauflug, die bald auf dem Weg zum Strand den ums Eck gelegenen Balneario 06 mit Polonese und Plastikstrohhalmhüten übernahmen. Angesichts der turbulenten bis dahin kaum zu glaubenden promillelastigen Baller-Baller-Szenen („ballern“ = saufen) setzte sich die Spaß-Bezeichnung „Ballermann“ fest, die bald durch die einsetzende Bild-Berichterstattung, Engelhardts erste Partys im Ruhrgebiet und die Suff-Komödie „Ballermann 6“ (1997) positiv wie negativ in aller Munde war und sich später für das gesamte Partygebiet etablierte.

Am 12. November 1997 wurde Manfred Meisel zusammen mit seinem achtjährigen Sohn und einer Haushälterin in seiner Finca erschossen. Der Dreifachmord ist bis heute nicht aufgeklärt.

JF 16/24

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