Rußland: Rußland Nach Anschlag in Moskau: 115 Todesopfer und elf Festnahmen

MOSKAU. Nach dem Angriff auf eine Konzerthalle bei Moskau stieg die Zahl der Toten auf 115. „Leider könnte die Zahl der Opfer noch steigen“, zitieren russische Medien am Samstag das staatliche Ermittlungskomitee. Unter den Opfern sollen mindestens drei Kinder sein, berichtet die Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf das Gesundheitsministerium. Rund Hundert weitere Menschen seien demzufolge ins Krankenhaus gebracht worden, acht davon Kinder.

Unterdessen gelang es den russischen Behörden, inzwischen elf Personen festzunehmen. Vier von ihnen gelten als Tatverdächtige für den Anschlag auf die Konzerthalle, meldet die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf den Kreml. Derzeit würden weitere Komplizen identifiziert. Das zentrale russische Ermittlungskomitee stufte den Anschlag als mutmaßlichen „Terrorakt“ ein.

IS will hinter dem Anschlag stecken

Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) veröffentlichte noch am Freitagabend ein Selbstbezichtigungsschreiben. Ihre Kämpfer hätten „eine große Zusammenkunft … am Rande der russischen Hauptstadt Moskau“ angegriffen, schrieb die Dschihadistenmiliz auf dem Nachrichtendienst Telegram. Danach hätten sie sich „sicher in ihre Stützpunkte zurückgezogen“.

Das Schreiben soll laut dem Terrorexperten Peter Neumann vom King’s College in London authentisch sein. „Die Bekennernachricht lief über alle offiziellen IS-Kanäle. Ich und meine Kollegen können das 100%ig bestätigen“, schrieb Neumann auf X.

Bis zu fünf Angreifer

Am Freitagabend hatten Unbekannte in Tarnkleidung die Corpus Stadthalle kurz nach Beginn eines Konzerts gestürmt, teilte die russische Generalstaatsanwaltschaft mit. Im Konzertsaal der Halle sollte die russische Rockgruppe Piknik ein Konzert geben.

Veröffentlichte Videos zeigen mindestens zwei Männer, die schwerbewaffnet in die Halle vorrücken. Laut der Nachrichtenagentur Interfax handle es sich um bis zu fünf Personen. Zudem kursieren Aufnahmen, auf denen Leichen und fliehende Menschen zu sehen sind. Unter den Opfern befinden sich Mitarbeiter und Besucher der Konzerthalle. Durch einen Brand soll das Dach eingestürzt sein, jedoch sei die Ausbreitung des Feuers gestoppt worden.

Nach dem Anschlag stellten die Ermittlungsbehörden Waffen und Munition fest. Auf einem kurzen Video des Ermittlungskomitees sind eine Kalaschnikow, Gurte voller Magazine und tütenweise verschossene Patronen zu sehen.

Moskau kündigt Vergeltung an

Der russische Präsident Wladimir Putin ließ über die stellvertretende Ministerpräsidentin Tatjana Golikowa eine schnelle Genesung an die Opfer ausrichten und dankte den Ärzten. Sämtliche Veranstaltungen für das Wochenende wurden von Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin abgesagt. Zudem sollen die Sicherheitsvorkehrungen an Moskauer Flughäfen und in anderen Großstädten erhöht worden sein, berichtet das russische Fernsehen. Der Rote Platz in Moskau sei abgeriegelt, heißt es von der Nachrichtenagentur Tass.

Die Chefin des Oberhauses des russischen Parlamentes, Valentina Matwijenko, drohte mit Vergeltung. „Diejenigen, die hinter diesem fürchterlichen Verbrechen stehen, werden die verdiente und unausweichliche Strafe dafür erhalten“, schrieb sie am Freitagabend auf ihrem Telegram-Kanal. Das russische Außenministerium rief die „gesamte Weltgemeinschaft“ auf, dieses „verabscheuungswürdige Verbrechen“ zu verurteilen.

Weltgemeinschaft verurteilt Anschlag

Der UN-Sicherheitsrat verurteilte den „feigen und abscheulichen Terroranschlag“ und forderte Aufklärung. Alle Nationen seien dazu verpflichtet, aktiv mit Rußland zusammenzuarbeiten. Auch die Europäische Union verurteilte den Angriff auf die Konzerthalle. „Die EU verurteilt jegliche Angriffe gegen Zivilisten. Unsere Gedanken sind bei allen betroffenen russischen Bürgern“, schrieb ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Freitagabend auf X.

Ähnliche Worte fand das deutsche Auswärtige Amt. Man sei bei den Familien der Opfer und forderte die rasche Aufklärung dieses „furchtbaren Angriffs auf unschuldige Menschen“.

Auch mehrere arabische Länder verurteilen den Anschlag. Die Vereinigten Arabischen Emirate erklärten, man lehne „alle Formen von Gewalt und Terrorismus, die auf die Destabilisierung von Sicherheit und Stabilität abzielen und mit dem Völkerrecht unvereinbar sind“, entschieden ab. Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien und Syrien gaben ähnliche Erklärungen ab.

Washington warnte vor Anschlag

Ebenso drückte das Weiße Haus in Washington Anteilnahme für die Opfer des „schrecklichen Angriffs“ aus. „Die Bilder sind einfach schrecklich“, betonte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby. Man sei in Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen.

Zwei Wochen zuvor hatte die US-Botschaft in Rußland ihre Bürger davor gewarnt, daß „Extremisten unmittelbar bevorstehende Pläne haben, große Versammlungen in Moskau, einschließlich Konzerte, ins Visier zu nehmen“. Laut Angaben aus Washington wurden diese Warnungen mit den russischen Behörden zwar geteilt, jedoch als Provokation des Westens zurückgewiesen.

Ukraine: „Absolut nichts mit diesen Ereignissen zu tun“

Noch am Freitagabend verkündete der Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Mychailo Podoljak, auf Telegram, „daß die Ukraine absolut nichts mit diesen Ereignissen zu tun hat. Die Ukraine hat niemals terroristische Kriegsmethoden angewandt.“

Auch die „Legion Freiheit Rußlands“, eine kremlfeindliche Organisation mit Sitz in der Ukraine, bestritt jede Beteiligung. „Wir betonen, daß die Legion nicht gegen russische Zivilisten kämpft“, erklärte die Gruppe auf Telegram. Hinter dem Anstieg stecke das „Terrorregime“ von Wladimir Putin.

Russischer Geheimdienst verdächtigt Ukraine

Der russische Geheimdienst FSB hingegen machte am Samstagmorgen die Ukraine verantwortlich. „Die Täter versuchten zu fliehen und waren auf dem Weg zur russisch-ukrainischen Grenze. Die Terroristen planten, die Grenze zu überqueren und hatten Kontakte auf ukrainischer Seite. Der Terroranschlag auf das Crocus-Rathaus war sorgfältig geplant“, berichtet die Nachrichtenagentur Tass mit Berufung auf den FSB.

Bereits am Freitagabend hatte der ehemalige Präsident Dmitri Medwedew der Ukraine auf Telegram gedroht: „Wenn sich herausstellt, daß es sich dabei um Terroristen des Kiewer Regimes handelt, ist es unmöglich, anders mit ihnen und ihren ideologischen Inspiratoren umzugehen. Sie alle müssen gefunden und als Terroristen gnadenlos vernichtet werden. Einschließlich der Beamten des Staates, der diese Gräueltat begangen hat.“ (sv)

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