Bertelsmann-Stiftung: Bertelsmann-Stiftung Bürgerliche Mitte verliert Vertrauen zu etablierten Parteien

GÜTERSLOH. Die bürgerlichen Milieus Deutschlands haben in den vergangenen Jahren zunehmend das Vertrauen in etablierte Parteien verloren. Viele betrachten die Zukunft zunehmend pessimistisch, wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt.

Die Untersuchung unterscheidet dabei zwischen einem Nostalgisch-Bürgerlichen Milieu (NBM), das nach „einem hohen Maß an Sicherheit und Harmonie“ strebt und Neuerungen eher kritisch gegenübersteht. Dem gegenüber steht die Adaptiv-Pragmatische Mitte (APM), die geprägt ist durch „eine hohe Anpassungs- und Leistungsbereitschaft“, sich aber ebenfalls nach Sicherheit und Stabilität sehnt.

Soziologische Millieus in Deutschland nach der Sinus-Methode: Hier die bürgerliche Eindordnung
Übersicht der Sinus-Millieus in Deutschland Foto: Bertelsmann-Stiftung Screenshot: JF

Besonders in diesen beiden Milieus hat das Vertrauen in die Zukunft und die Politik abgenommen. Während im Jahr 2022 noch 70 Prozent der APM nach eigener Angabe „sehr“ oder „eher optimistisch“ in die Zukunft schauten, sind es gegenwärtig nur noch 50 Prozent. Im NBM schrumpfte der Wert von 45 Prozent auf 26 Prozent der Befragten.

Zukunftsoptimismus verschiedener Milieus
Zukunftsoptimismus verschiedener Milieus Quelle: Bertelsmann-Stiftung

AfD steigt stark in der Gunst

Zeitgleich verliert auch die Ampel-Regierung in der APM massiv an Ansehen. Im Vergleich zum Ergebnis der Bundestagswahl 2021 verliert die Regierungskoalition 22 Prozentpunkte an Ansehen. Während die Union davon nur leicht profitiert und drei Prozentpunkte dazugewinnt, sind es bei der AfD ganze 14 Prozentpunkte. Das sei besonders bemerkenswert, schreiben die Autoren der Studie, da „die pragmatische Mitte“ lange zu den „Stammwähler-Milieus“ der Unionsparteien gehörte.

Noch dramatischer ist der Vertrauensverlust der Ampel offenbar im NBM. Ganze 29 Prozentpunkte verliert das rot-grün-gelbe Bündnis hier im Vergleich zur vergangenen Bundestagswahl. Während die Unionsparteien davon mit einem Zuwachs von sieben Prozent Zustimmung profitieren, sind es bei der AfD ganze 15 Prozent. „Die AfD hat damit im Stimmungsbild der Nostalgisch-Bürgerlichen Mitte derzeit die Marktführerschaft übernommen und liegt mit 34 Prozent und einem doppelt so starken Zuwachs seit der Bundestagswahl deutlich vor der CDU/CSU“, heißt es in der Studie.

Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht kann in beiden Milieus punkten. Ganze neun Prozent legt die neue Partei im NBM zu, bei der APM sind es vier Prozent.

Parteiensympathien des Nostalgisch-Bürgerlichen Milieus Quelle: Bertelsmann-Stiftung
Parteiensympathien des Nostalgisch-Bürgerlichen Milieus Quelle: Bertelsmann-Stiftung

Stiftung: Investitionen sollen gegen Vertrauensverlust helfen

Die Daten zeigen zudem auch eine mögliche „neue soziale Konfliktlinie der Demokratie“. Während in den verschiedenen Oberschichts-Milieus die Zustimmung zu den „Parteien der Bonner Republik“, also SPD, Union, Grüne und FDP bei 68 Prozent bis hin zu 73 Prozent liegt, ist sie bei Mittelschichts- und Unterschichts-Milieus deutlich niedriger ausgeprägt. Lediglich das Neo-Ökologische Milieu und die APM befürworten die etablierten Parteien mit bis zu 56 Prozent. Im Prekären Milieu empfinden lediglich 44 Prozent der Befragten Sympathien.

Um die Zustimmung zu den sogenannten etablierten Parteien wieder zu erhöhen, schlägt die Stiftung vor allem Investitionen in die Infrastruktur des Landes vor. Nach den Ergebnissen der Umfrage befürworten insgesamt 73 Prozent der bürgerlichen Milieus „sich heute Geld zu leihen, um damit in die Zukunft zu investieren, damit wir unseren Kindern keine kaputten Schulen, kaputte Straßen und keine kaputte Umwelt hinterlassen“. Mit Programmen „für einen gelingenden Alltag“ sehe die Mitte „sich in ihren Sorgen abgeholt und in ihrer Selbstwirksamkeit gestärkt“. (lb)

Quellenlink : Bertelsmann-Stiftung: Bertelsmann-Stiftung Bürgerliche Mitte verliert Vertrauen zu etablierten Parteien