Kranzniederlegung in BerlinDer revolutionäre Geist entscheidet

Es ist Frühling in Berlin. 16 Grad und sonnig. Die meisten der Versammelten am Friedhof der Märzgefallenen tragen am Samstag keine Jacken, oder wenn dann dünne. An dem Gedenkstein an der Ostseite des Friedhofs türmt sich ein Blumenberg. Die SPD-Fraktion hat einen Kranz hinterlassen, ebenso FDP, CDU, Linkspartei, verschiedene Landesministerien und das Robert-Blum-Gymnasium. Sie wollen damit an die Revolution von 1848 vor 175 Jahren erinnern.

Am Mikrofon steht die Präsidentin des Bundestags, Bärbel Bas (SPD). Zum Jahrestag der Barrikadenkämpfe in Berlin hat die „Aktion 18. März“ in Zusammenarbeit mit der Stadt Berlin zu einer Kranzniederlegung aufgerufen. Dazu gibt es Reden und Musik des Eric-Fried-Chors. Im Publikum sitzt auch Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, die an diesem Tag allerdings nicht spricht.

Demokratie und Revolution

Bas spannt in ihrer Rede einen großen zeitlichen Bogen. Genau wie heute, sagt sie, seien sich die Revolutionäre von 1848 gar nicht so einig gewesen. Verschiedene Vorstellungen seien aufeinander geprallt. Es habe Konflikte gegeben, denn Demokratie bedeute Streit. Daß dieser Streit wichtig sei, zeige sich gerade heute, wo die „unumkehrbar geglaubte Freiheit“ in Europa angegriffen werde. Doch, so betont Bas, es zählten diejenigen, die nicht bloß meckerten und kritisierten, sondern etwas verändern wollten. Applaus.

Der Erich-Fried-Chor tritt nach vorne und singt „Am Grunde der Moldau, da wandern die Steine.“ Als nächstes spricht Sigrid Klebba, Vorsitzende des Paul-Singer-Vereins. Dieser Friedhof, so sagt sie, sei ein besonderer Ort. Es sei versucht worden, ihn zu zerstören und umzudeuten, doch noch immer stehe er für Demokratie. Eine Demokratie, die es ohne eine Revolution auf der Straße nie gegeben hätte. Eine Revolution, deren Verdienst es sei, Königen und Fürsten das Recht auf Freiheit abgerungen zu haben.

Cornelia Seibelt, Präsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses, tritt ans Mikrofon. Auch sie zieht Verbindungen zur Gegenwart. Die Forderungen von 1848 seien für uns heute selbstverständlich: durch Leistung aufsteigen, statt durch Geburt sowie, sich frei zu informieren, weil die Presse frei sei. Und auch frei seine Meinung zu sagen, weil meine keine Repressionen zu befürchten habe.

Volker Schröder bekommt Applaus

Nach ihr spricht Düzen Tekkal, kurdische Journalistin. Ihr Blickwinkel ist spezifischer. Es gebe scheinbar kaum eine Verbindung zwischen dem Deutschland des Jahres 1848 und dem Nahen Osten von heute, sagt sie. Doch in beiden Fällen kämpften Menschen gegen einen übermächtig erscheinenden Gegner für Freiheit. Das Grundgesetz, dessen Vorgänger die Paulskirchenverfassung gewesen sei, habe Vorbildfunktion für die Welt.

Den größten Applaus des Nachmittags bekommt allerdings der Gründer der „Aktion 18. März“, Volker Schröder. Ihn rühre diese Veranstaltung, sagt der ältere Herr in Hut und Mantel gleich zu Beginn. Der Titel eines Revolutionslieds der 1848er sei ihm in den Sinn gekommen. „Trotz alledem“. Denn trotz alledem habe sich die Demokratie durchgesetzt. Wobei, so ergänzt er, an diesem Tag bereits sehr viel von Demokratie die Rede gewesen sei, aber kaum von Revolution. Dabei sei der revolutionäre Geist entscheidend. Das gibt tosenden Applaus, ebenso wie Schröders Hinweis, daß bereits in einem anderen Revolutionslied das Volk mit der Menschheit gleichgesetzt werde. Der Chor singt ein letztes Mal und ein kleines Mädchen verteilt rote Rosen an die Besucher.

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